Was sind die wichtigsten Fähigkeiten, die mobile JournalistInnen heute drauf haben sollten? Auf dem Lokal-TV Kongress in Potsdam habe ich dazu eine Keynote präsentiert, die hier zum Download bereit steht.
Mobile Reporting: was ist das?
In Deutschland hat sich der Anglizismus „Mobile Reporting“ vor allem für das Produzieren von audiovisuellen journalistischen Inhalte mit dem Smartphone durchgesetzt. Im englischen Sprachraum wird eher das Wort Mobile Journalism oder kurz „MoJo“ verwendet.
Wichtig im Mobilen Journalismus: sicherer Umgang mit allen Mediengattungen: Video, Audio, Foto, Grafik, Text. Video ist besonders gefragt. Aber nicht nur Drehen und Scheiden von Video sollten wir auf dem Kasten haben. Das besondere an dieser Mediengattung ist, dass Video alle anderen Mediengattungen in sich vereinen kann. Als mobile Journalist*innen müssen wir deshalb wissen, wie diese Elemente im Storytelling zusammen spielen. Womit wir bei der nächsten wichtigen Fähigeit wären.
Visual Storytelling.
Zum Storytelling gibt es Bibliotheken voll mit guter Literatur. Das Geschichten Erzählen mit bewegten Bildern ist ein bisschen wie eine Sprache lernen. Als Tipp zum Einstieg empfehle ich diese drei:
Robert McKee: Story.
Stephen D. Katz: Die richtige Einstellung.
Aber jetzt mal ans Eingemachte: Was steckt alles drin in der Mediengattung Video? Warum sind viele Social Videos stinklangweilig, warum sind andere dynamisch und unterhaltsam? Kurzum: was macht den Unterschied?
Punkt 1: Gutes Storytelling.
Unschlagbar ist es, wenn ich eine spannende Geschichte erzählen kann. Ich will die Menschen mit meinem Video auf etwas aufmerksam machen, zum Nachdenken anregen, sie emotional berühren und dazu bringen, es möglichst bis zum Ende zu schauen.
Dazu braucht es einen guten Einstieg: für Social Video hat sich der Begriff Thumb Stopper heraus kristallisisert. Die erste Einstellung meines Videos sollte dazu führen, dass ich meinen Daumen stoppe und nicht über das Video wegscrolle. Dabei helfen Motive, die sofort neugierig machen, Fragen aufwerfen, Erwartungen erzeugen. Man ahnt von der ersten Sekunde, dass dort gleich etwas Ungewöhnliches passieren wird. Statische Motive oder TextIntros mit meiner Firmenkennung oder meinem Markenlogo sind ein NoGo für den Einstieg.
Der Anfang sollte ein Versprechen an die UserInnnen sein. Was kann sie/er von deinem Video erwarten? Worauf richte sich seine/ihre Aufmerksamkeit in den nächsten Minuten?
Nach diesem Einstieg sollte ich einen guten Spannungsbogen erzeugen. Über die Grundlagen des Storytellings verweise ich noch mal in einem gesonderten Artikel. Wichtigste Erfolgsformel: Show, don’t tell!
Punkt 2: Show, don’t tell – Miterleben statt nacherzählen
Die meisten Social Videos bestehen inhaltich aus dem immer gleichen Motiv: Ein sprechender Kopf. Irgendwer will mir etwas erzählen. Schön und gut. Aber unsere Aufmerksamkeitsspanne ist begrenzt. Und wenn euer Video nur aus Talking Heads besteht, steigt mit jeder Sekunde die Gefahr, dass es für viele BetrachterInnen langweilig wird. Wir wollen etwas erleben. Video kann so viel: wir können darain zeigen, wie Menschen etwas neues erschaffen, etwas altes abreissen. Wie ein Kunstwerk oder Bauwerk ensteht, wie wir ein Foto bearbeiten oder wie Menschen sich an etwas abarbeiten.
Punkt 3: Menschen beim Handeln erleben
Unser ganzes Leben besteht aus Vorgängen. Und wenn wir im Video erleben, wie aus diesen Vorgängen etwas Neues entsteht, fasziniert uns das. Besonders dann, wenn wir dabei Menschen beobachten dürfen. Sind sie begeistert, motiviert, angewidert, traurig, verzweifelt, wütend oder ekstatisch bei dem, was sie tun? Bei Video können wir eine Bindung zwischen den Menschen im Film und den UserInnen beim Betrachten des Films herstellen. Mit dieser Bindung steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass wir das Video länger anschauen.
Mobile Reporting: guter Ton
Beliebtester Fehler bei Newbies ist schlechter Ton. Faustregel: Wenn ein sprechender Kopf in meinem Video auftaucht, dann sollte der Sound dieses Kopfs mit einem externen Mikro aufgenommen werden. Somit klingt die Moderation satter und professioneller. Und mit einem guten Ton werde ic als Presenter/In buchtstäblich „präsenter“. Denn ein guter Ton erzeugt Nähe.
Wenn ich Vorgänge filme, drehe ich neben den Bildern automatisch die Geräusche mit, die beim Vorgang entstehen. Neueinsteiger unterschätzen die Bedeutung dieser Atmo-Spur häufig. Die Original-Atmo hat für mein Video eine ganz wichtige Funktion: sie erzeugt Echtheit. Damit unterstreichen wir, dass wir wirklich dort und nah dran gewesen sind. Die Vorgänge werden dadurch lebendiger. Wer die Atmo-Spur mit Regieanweisungen vollquatscht, hat im Schnitt ein Problem. Aus lauter Verzweiflung wird die Atmospur dann meist platt gemacht und eine Dudelmusik unterlegt, die einem nach 20 Sekunden höllisch auf die Nerven geht.
Drehen und Schneiden mit dem Smartphone
Wie ihr die richtigen Kameraeinstellungen dreht und wie ihr eure Videos mit mobilen Schnittprogrammen wie Kinemaster, Lumafusion, iMovie oder Inshot bearbeitet, zeige ich euch in meinen Mobile Reporting Workshops und Video-Seminaren. Ein Tipp: geht dicht ran mit der Kamera. Umso intensiver erleben wir das Gezeigte mit. Dreht mehr als eine Einstellung von einem Vorgang. Wechselt die Perspektive. Und dreht den Abschluss eines Vorgangs mit. Im Schnitt könnt ihr einzelne Vorgänge dann wunderbar mit Talking Heads und anderen Elementen wie Animationen oder Titeln kombinieren.
Mobile Reporting Apps
Mein iPhone quillt über vor lauter Apps. Hier nur ein paar meiner Favoriten: für professionelles Drehen empfehle ich Filmic Pro oder Pro Movie Recorder. Die Kamera-App tut es aber auch. Für spezielle Looks Toon Camera oder 8mm.
Schnitt: die besten Apps sind meiner Meinung nach Kinemaster und Lumafusion. Tolle Effekte könnt ihr mit InShot und Enlight Videoleap erzielen. Die Storyfunktionen von Instagram und Snapchat lassen sich auch als Produktionstool einsetzen. Ich mag die Effekte, die ich mit der TikTok-App generieren kann. Die jüngsten News machen mir jedoch immer klarer: diese App ist krasseste Spyware.
Audio: für Audioaufnahmen und Audioschnitt ferrite oder Audio Evolution Mobile. Für das mobile Produzieren und Verbreiten von Podcasts lege ich euch Anchor.fm ans Herz. So gut, dass Spotify das Startup gekauft hat.
So wird euer Video abwechslungsreicher und spannender für die UserInnen. Meldet euch, wenn ihr Fragen zu diesem Komplex habt. Ich freue mich auf eure Kommentare.